Heute ist unser Standplatz für das Nachtquartier ideal nach Norden ausgerichtet. Und die Sonne den ganzen Tag verspricht auch gute Sicht auf sie in der Nacht. Leider trübt es sich gegen 23:00 Uhr wieder etwas ein. Wolken ziehen am Horizont auf. Doch die Sonne kann sich trotzdem durch die Wolkenschleier kämpfen und gibt uns stimmungsvolle Bilder.
Blick über den Fjord
Die beschädigte Brücke bei Badderen
Bei unserer Weiterfahrt kommen wir auch an den Übergang über den Fluss Badderen in der Nähe der gleichnamigen Gemeinde. Diese Brücke wurde Anfang Juni schwer beschädigt und war mehrere Tage unpassierbar: Der Mittelpfeiler war durch einen Erdrutsch verschoben und eingesunken und die Brückenfahrbahn bekam einen Knick. Damit war die einzige Straßenverbindung von Nordland nach der Finnmark gesperrt und alle Fahrzeuge mussten einen weiten Umweg über Finnland nehmen. Wir hatten uns auf der Reise immer wieder informiert, ob die Notreparatur abgeschlossen ist. Und als wir hier ankamen, war eine Behelfsbrücke über die defekte Brücke gebaut worden. Zwar nur einspurig und mit Ampelanlage, aber trotzdem für den fließenden Verkehr tadellos. Eine geniale und schnelle Notlösung in Norwegen.
Unser heutiges Nachtquartier ist unvermutet in einer richtigen Idylle gelegen. Nur einen Kilometer auf einer Schotterstraße von der E6 weg, eröffnet sich uns eine herrliche Umgebung, die sehr zum Wandern einlädt. Und das tun wir auch und bleiben an diesem Ort zwei Tage. Es geht an vielen Seen vorbei und über einige rundliche Höhenzüge. Am ersten Tag lag noch sehr viel Altschnee. Das war sehr verwunderlich, weil die Außen-Temperaturen die 20°C Marke erreicht hatten und ein sehr warmer Wind über die Berge wehte. Auch in den großen Seen waren noch Schee und Eis, die jedoch zusehends tauten.
Kurzärmelig und mit Sonnenhut machten wir uns auf den Weg.
Bereits einen Tag später war vom Schnee im See nichts mehr übrig und die Schneefelder auf den Berghängen teilweise viel kleiner. Überall rauschten Bäche nach unten und durchzogen die Wiesen mit einem feuchten Schleier.
Auf unserer Wanderung machte immer ein Vogel durch lautes Piepen auf sich aufmerksam: ein Sandregenpfeifer.
Er lief auf unserem Wanderweg direkt vor uns her, blieb immer wieder stehen, vergewisserte sich, dass wir noch folgen, piepte wieder und hüpfte auf dem Weg immer von der einen Seite auf die andere. Und das ging ca. 1 km so. Waren wir zu dicht dran, flog er ein paar Meter und vergrößerte so die Distanz. Als er sicher war, dass er uns weit genug von seinem Nest weg gelockt hatte, flog er in einem großen Bogen zurück.
An unserem Standplatz wiederholte sich diese Szene. Nach einiger Zeit entdeckten wir dann sogar das Nest. Wir näherten uns sehr vorsichtig und fotografierten das Gelege nur aus der Entfernung. Die Tarnung ist perfekt: Die Eier sehen wie die daneben liegenden Kieselsteine aus.
Seit wir in den Provinzen Nordland und der Finnmark angekommen sind, mehren sich auch die Begegnungen mit den Rentieren. Je weiter wir nach Norden kommen desto häufiger werden diese.
Auf den Straßen ist dann immer Vorsicht geboten, springen die Tiere doch auch mal unvermutet auf die Fahrbahn oder trotten dort einige Meter entlang. Langsam fahren ist da die Devise. Und Warten. Die Tiere haben sich so an die Fahrzeuge gewöhnt, dass sie nicht scheuen und so die Straße auch nicht ohne weiteres wieder frei machen.
Die Straße führt uns zuerst noch über eine weite Hochfläche mit tundra-artiger Vegetation. Dann biegen wir auf die Uferstraße am Fjord ein und fahren nahezu in nördliche Richtung durch mehrere lange Tunnel auf die Insel Magerøya.
Dabei kämpfen wir mit einem Naturphänomen der ganz anderen Art: plötzlich auftretender Sturm. Auf dem Meer wird das Wasser hochgewirbelt und es bildet sich ein Regenbogen. Die uns entgegenkommenden Fahrradfahrer müssen absteigen und sich gegen den starken Wind stemmen. Sie werden oftmals durch die Böen fast umgeworfen. Und auch die Motorräder halten an und warten auf ein Nachlassen des Windes. Wie wir erfahren ist das für diesen Landstrich nicht außergewöhnlich. Die Winde fallen in die Talkessel am Meer und verstärken so ihre Wirkung. Für uns jedoch ein beängstigendes Phänomen, haben wir doch keine Erfahrungen, was unser Oskar diesbezüglich so alles aushält. Mit stark reduzierter Geschwindigkeit fahren wir weiter gen Norden.
... und so auch von uns.
Das Nordkap empfängt uns zunächst von seiner abweisenden Seite: Nebel und 9 °C. In den einschlägigen Reiseführern wird berichtet, dass dieses Wetter an fast 300 von 365 Tagen im Jahr vorherrscht. Doch nach zwei Stunden klart es auf und die Sonne zeigt sich zuerst zaghaft und dann jedoch mit voller Kraft. Am nächsten Tag werden es sogar über 27 °C. Über dem Meer liegt zunächst jedoch noch eine dichte Wolkendecke.
Wir machen eine Wanderung über die Hochebene, wollen wir doch den Bergpfad entdecken, auf dem so manche Könige und andere Touristen von der Bootsanlegestelle in der Bucht unterhalb des Nordkaps zum Gipfelplateau gestiegen sind, bevor es die Straßenzufahrt gab. Diese 300 Höhenmeter waren früher ein nicht ungefährliches Unterfangen.
Zur Erinnerung an das Erreichen des Ziels mit motorisierter Unterstützung legen wir mit Steinen den Namen unseres Wohnmobils auf dem Fjell aus - auch als Dank für die reparaturfreie Fahrt bis hierher. Interessanterweise weihte hier vor vielen Jahres der schwedische König Oskar II. eine Gedenksäule auf dem Nordkap ein. Damals war auch er zu Fuß hierher unterwegs gewesen. Die heute gut befahrbare Straße wurde erst im Jahre 1956 eingeweiht.
So schnell ändert sich das Wetter hier: Am ersten Tag zuerst starker Nebel mit 9 °C, dann klarte es auf und am zweiten Tag waren es dann sommerliche 27 °C. Wir konnten unsere Sommersachen wieder auspacken.
Die Jagd nach der Mitternachtssonne - Teil 3
Und als ob es so sein sollte: Hier am Nordkap hatten wir endlich auch ideale Sicht auf die Mitternachtssonne. Ein tolles Schauspiel. Und ein kleines Video wert.